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Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe

Verwaltungsgericht Oldenburg, Beschluss vom 10.12.04, 6 B 4125/04

Eine Verurteilung wegen Betrugs und eine weitere Verurteilung wegen Ladendiebstahls rechtfertigen durchgreifende Zweifel an der charakterlichen Eignung einer Probebeamtin im Justizvollzugsdienst


I.
Von 1997 bis Juni 1999 bezog die Antragstellerin Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, ging aber einer Nebenbeschäftigung nach. Nachdem die Nebeneinkünfte von der Arbeitsverwaltung festgestellt worden waren, wurden mit Bescheid des Arbeitsamtes Leistungen zurückgefordert.
Wegen dieses Sachverhalts erließ das Amtsgericht wegen Betruges in fünf Fällen einen Strafbefehl in Höhe von 40 Tagessätzen. Ihren Einspruch gegen den Strafbefehl nahm die Antragstellerin am 29.10.02 zurück.

Zum 01.07.99 war die Antragstellerin in den Dienst der Antragsgegnerin eingetreten. Zum 01.07.01 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst zur Anstellung ernannt. Die Dauer der Probezeit wurde im Hinblick auf ein anhängiges und ein abgeschlossenes Strafverfahren bis zum 30.06.05 verlängert.

Am 04.09.02 beging die Antragstellerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten einen Ladendiebstahl, bei dem sie eine Lederhandtasche an sich brachte. Deswegen wurde sie später vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt.
Ihre dagegen erhobene Berufung wurde am 16.01.04, die Revision mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 09.06.04 verworfen.

Mit Zustimmung der Personalvertretung entließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 21.06.04 zum 30.09.04 wegen mangelnder Bewährung aus dem Beamtenverhältnis.

Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und legte u.a. ein Attest eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie vor, in dem ausgeführt wurde, dass sie „ohne die geringste Ahnung zu haben, in ein Diebstahlsdelikt geraten sei, begangen durch Bekannte“.

Daraufhin ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Hinblick auf die Straftaten der Antragstellerin eine gesetzestreue Zusammenarbeit im Justizvollzug nicht erwartet werden könne, so dass die sofortige Entlassung geboten sei.

Die Antragstellerin macht geltend: Zu Unrecht werde ihr von der Antragsgegnerin eine mangelnde Bewährung in der Probezeit vorgeworfen. Es müsse bedacht werden, dass sie die erste Tat (gleichzeitiger Bezug von Leistungen der Arbeitsverwaltung und Arbeitseinkünften) vor Eintritt in den öffentlichen Dienst begangen habe.
Hinsichtlich der zweiten Tat vom 04.09.02 müsse bedacht werden, dass sie stets eine eigene Tatbeteiligung bestritten habe. Wie ihr Lebensgefährte auch heute noch ausführe, habe nur er diese Tat begangen. Auch handele es sich um einen einmaligen außerdienstlichen Vorfall. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass sie seit dem 25.02.03 völlig beanstandungsfrei allgemeinen Vollzugsdienst geleistet habe.

Die Antragsgegnerin erwidert: Eine Zusammenarbeit im Justizvollzugsdienst mit einer Beamtin, die Straftaten begangen habe, sei undenkbar. Soweit die Antragstellerin dienstlich tätig gewesen sei, sei sie nach einem zunächst für die Zeit vom 29.11.02 bis zum 27.02.03 ausgesprochenem Amtsführungsverbot nur in Randbereichen des Vollzugs, nicht aber in der unmittelbaren Vollzugsarbeit auf den Abteilungen eingesetzt gewesen.


II.
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 NBG (= § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG - beides Gesetze in der Fassung vor 2009, zur aktuellen Gesetzeslage siehe unten) kann der Dienstherr eine Beamtin auf Probe entlassen, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt hat. Der Entlassungsgrund der mangelnden Bewährung liegt vor, wenn bei Würdigung des gesamten Bildes, das die Beamtin während ihrer Probezeit bietet, und unter Einbeziehung der zahlreichen Anforderungen des konkreten Aufgabengebietes, denen die Beamtin im Rahmen ihrer Laufbahn gewachsen ein muss, Mängel hinsichtlich ihrer Eignung oder Befähigung oder fachlichen Leistung festgestellt werden, die geeignet sind, die Probebeamtin für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit untauglich erscheinen zu lassen. Die Beamtin muss sich in der Probezeit bewähren, also nachweisen, dass sie die Erwartungen erfüllt, die hinsichtlich ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung in sie gesetzt werden; andernfalls kann sie entlassen werden. Die Entlassung der Beamtin auf Probe wegen mangelnder Bewährung ist gerechtfertigt, wenn der Dienstherr nach oder auch schon während der Erprobung berechtigte Zweifel daran haben kann, ob die Berufung der Beamtin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nach deren Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung gegenüber der Allgemeinheit zu verantworten ist. Mithin ist die Antwort auf die Frage, ob die Beamtin sich in der Probezeit bewährt hat, ein Akt wertender Erkenntnis, der gerichtlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind. Zur Bewährung gehört auch die Eignung in charakterlicher Hinsicht, so dass sich aus einem gesetzwidrigen Verhalten und abgeurteilten Straftaten durchgreifende Zweifel an der charakterlichen Eignung einer Probebeamtin ergeben können.

Die beiden Straftaten zeigen, dass es die Antragstellerin mit den Anforderungen an ein gesetzestreues Verhalten nicht so genau nimmt. Gerade dies ist aber in der Laufbahn des Justizvollzugsdienstes unerlässlich, da sonst die Aufgaben des Justizvollzugs gefährdet werden. Wer schon mehrfach gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, rechtfertigt damit den Zweifel, er werde möglicherweise auch in Zukunft Straftaten begehen. Eine derartige Gefährdung kann insbesondere im Justizvollzugsdienst nicht hingenommen werden. Dabei ist es im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, dass der Betrug der Antragstellerin zu Lasten der Arbeitsverwaltung vor Beginn ihrer dienstlichen Tätigkeit lag. Denn dieses Verhalten vor Beginn der Probezeit rechtfertigt es, auch Rückschlüsse auf ihr zukünftiges Verhalten im Dienst zu ziehen (vgl. BVerwGE 62, 267, 272). Ebenso ist es ohne Bedeutung, dass beide Straftaten außerhalb des engeren dienstlichen Bereichs der Antragstellerin verübt wurden. Auch außerdienstliche Straftaten können einen Mangel in der charakterlichen Eignung zur Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bedeuten. Es ist gerade Aufgabe der Probezeit, die Eignung festzustellen, weil sich später eine Entfernung aus dem Dienst nur unter den wesentlich schwierigeren Voraussetzungen des Disziplinarrechts verwirklichen lässt.



Die Entscheidung erging vor den wesentlichen beamtenrechtlichen Änderungen im Jahre 2009. Dennoch ist die Rechtslage weitgehend unverändert. Die Rahmengesetzgebung (jetzt: im Beamtenstatusgesetz) sieht ab 2009 folgendes vor:

§ 23 Beamtenstatusgesetz  Entlassung durch Verwaltungsakt


(1) ...

(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,
1. wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte,
2. wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder
3. wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 ist § 26 Abs. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung entsprechend anzuwenden.

(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden.
Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.
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Rückforderung von Bezügen
Vor Ernennung auf Probe OVG SH 10.01.17
Beamte auf Probe Bedeutung der Probezeit innerdienstliche Straftat außerdienstliche Straftat Fälschung von Impfpässen wegen Dienstvergehens Tätowierung / Landser Alkohol und Schlägerei Lehrer / Unterrichtsbesuch Sport trotz Krankschreibung
Gesundheitliche Eignung gesundheitliche Eignung BVerwG 30.10.13 früher: Übergewicht
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Michael Bertling
Rechtsanwalt
Gabriele Münster
Rechtsanwältin
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