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Gesundheitliche Eignung ist Voraussetzung für eine Beförderung


Eine Beförderung kommt nur in Betracht, wenn der Beamte in jeder Hinsicht geeignet erscheint.
Dies gilt auch für die gesundheitliche Eignung. Zwar spielt dieses Kriterium im Wettstreit unter Konkurrenten kaum jemals eine Rolle, aber erwähnt sei es dennoch. Für den Fall des Falles ...

Wir stellen hier die grundsätzlich geltende Auffassung dar, aber bitte beachten Sie, dass es im Hinblick auf schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Beamte Modifizierungen durch das Sozialgesetzbuch und andere Vorschriften gibt.
Eine über die konkrete Problematik des Falles hinaus reichende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg befasst sich mit der Frage, ob die Nachtdienstuntauglichkeit eines schwerbehinderten Justizvollzugsbeamten seiner Beförderung entgegensteht.


Erwähnt seien folgende Entscheidungen aus neuerer Zeit.

Die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 29.11.21 finden Sie in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Niedersachsen. Sie betrifft ein Sonderproblem im Zusammenhang mit längeren Erkrankungszeiten: Kann eine dienstliche Beurteilung trotz Erkrankung erstellt werden? Falls nicht: was folgt daraus?

OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.11.21, 5 ME 132/21

Dass ein Bewerber mit Blick auf den beabsichtigten Zeitpunkt der Stellenbesetzung krankheitsbedingt nicht rechtzeitig beurteilt werden kann, rechtfertigt nicht ohne Weiteres dessen Ausschluss vom Auswahlverfahren.

In den Fällen mit der Problematik "Beförderung trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen?" werden immer die Umstände des Einzelfalles sorgfältig zu bewerten sein, wobei wir daran erinnern, dass zu vielen Konstellationen durchaus unterschiedliche Ansichten vertreten werden können. Grundsätzlich ist Voraussetzung einer Beförderung, dass die gesundheitliche Eignung des Beamten für das angestrebte Amt gegeben ist. In die Problematik einführen kann man mit einem Auszug aus einer Entscheidung des VGH München.

VGH München, Beschluss vom 31.05.22 – 3 ZB 21.290 –

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... In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Beförderung zurückgestellt werden darf, wenn im Auswahlzeitpunkt nachvollziehbare und begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Beamten bestehen (BVerwG, U. v. 29.08.1996 - 2 C 23.95 - juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 17.12.2013 - 3 CE 13.2171 - juris Rn. 25; B.v. 24.03.2021 - 3 ZB 19.2541 - juris Rn. 5; SächsOVG, B.v. 15.03.2010 - 2 B 516/09 - juris Rn. 13). Des Nachweises einer bestimmten Krankheit bedarf es insoweit nicht (OVG NW, B.v. 10.10.2018 - 6 B 988/18 - juris Rn. 19), zumal die Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers sich aufgrund seiner erheblichen Fehlzeiten (vgl. dazu BayVGH, B.v. 12.04.2022 - 6 CE 22.428 - Rn. 16) geradezu aufdrängten. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Kläger im Jahr 2019 an 278 Tagen dienstunfähig erkrankt war. Dessen Einwand, der Amtsarzt hätte allenfalls Anlass gehabt, weitere Aufklärung zu betreiben, ist unverständlich, denn gerade dies ist durch den Amtsarzt veranlasst worden. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung bestanden Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers. Diese wurden anschließend durch den Krankheitszeitraum vom 17. Februar 2020 bis zur Arbeitsaufnahme am 1. Juni 2021 bestätigt; dass das in Auftrag gegebene Fachgutachten des Klinikums N. zu dem Ergebnis kommt, es bestehe (nur) eine „akzentuierte Persönlichkeit“ bzw. eine „akzentuierte Persönlichkeitsstruktur“ (zitiert nach Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom 25. Mai 2021), ändert daran nichts.
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b) Des Weiteren kritisiert der Kläger, dass eine eigene Ermessensentscheidung des Dienstherrn im Zusammenhang mit der Zurückstellung der Beförderung des Klägers nicht erfolgt sei. Dem Schreiben des Dienstherrn vom 9. Dezember 2019 sei eine solche nicht zu entnehmen. Damit erweise sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Zurückstellung der Beförderung sei anhand der Faktenlage rechtmäßig, als unzutreffend. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Ernennung eines seit längerer Zeit dienstunfähig erkrankten Beamten verstößt gegen den Leistungsgrundsatz (BVerwG, U.v. 29.08.1996 - 2 C 23.95 - juris Rn. 22). Dies gilt nicht nur für die Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern um einen ausgeschriebenen Dienstposten. Auch die „Regelbeförderung“ eines Beamten setzt seine gesundheitliche Eignung für dieses Amt voraus (BVerfG, B.v. 10.12.2008 - 2 BvR 2571/07 - juris Rn. 11). Bei der Regelbeförderung handelt es sich um eine echte Beförderung, bei der der Leistungsgrundsatz nicht außer Acht gelassen werden darf. Ein Dienstherr ist nicht berechtigt und kann erst recht nicht verpflichtet sein, unter Missachtung des öffentlichen Interesses an möglichst effektiver Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Besetzung der Beamtenstellen ein Beförderungsamt einem Beamten zu übertragen, der für das Amt gesundheitlich nicht geeignet ist (BVerwG, B.v. 28.07.1970 - II B 7.70 - juris; U.v. 12.05.1977 - II C 46.73 - juris; BayVGH, B.v. 17.12.2013 - 3 CE 13.2171 - juris Rn. 25). Gegebenheiten des Einzelfalls, die dafür sprechen könnten, dem Beamten trotz längerer Erkrankung ein Beförderungsamt zu übertragen, sind nicht ersichtlich.
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c) In Bezug auf die soeben zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die der Kläger für sich in Anspruch nimmt, hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die zugrunde liegenden Fallkonstellationen erheblich unterscheiden. Während beim Kläger eine Klärung des Gesundheitszustands damals noch ausstand und es kaum mehr zu einer nennenswerten Arbeitsleistung kam, standen in der in Bezug genommenen Entscheidung die Einschränkungen der (wohl durchgängig) diensttuenden Beamtin fest. Der Fall, dass sich die Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Beamten darauf beziehen, dass auch geklärt werden muss, ob überhaupt noch mit einer Dienstleistung gerechnet werden kann, ist mit dem Fall eines dauerhaft nur eingeschränkt dienstlich verwendungsfähigen Beamten nicht vergleichbar.

Die folgende Entscheidung des OVG NRW finden Sie in NVwZ-RR 2020, 407 f. und sicher auch in der Datenbank der Justiz NRW.
Sie erkennt die Bedeutung von Fehlzeiten an, fordert aber - was selbstverständlich sein sollte - eine individuelle und differenzierte Beurteilung des Einzelfalles.
Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 23.10.19 – 6 B 720/19 –

Leitsatz
1. Lange krankheitsbedingte Fehlzeiten können ein Indiz für die fehlende gesundheitliche Eignung eines Beförderungsbewerbers sein, reichen aber regelmäßig allein nicht aus für eine solche Annahme.
2. Erforderlich für die gebotene individuelle und differenzierte Beurteilung der gesundheitlichen Eignung ist die auf eine hinreichend fundierte Tatsachenbasis im Einzelfall gestützte Prognose der künftigen gesundheitlichen Entwicklung.

Ein weiteres Beispiel:
VG Berlin, Beschluss vom 26.11.15 - 5 L 206.15

Leitsatz
Die gesundheitliche Eignung der Bewerber ist ein zulässiges Kriterium bei der Auswahlentscheidung für ein Beförderungsamt.
Die Auswahlentscheidung kann aber nur dann auf mangelnde gesundheitliche Eignung eines Bewerbers gestützt werden, wenn der Dienstherr eine Prognose der künftigen gesundheitlichen Entwicklung auf der Grundlage einer individuellen Würdigung des Gesundheitszustandes vorgenommen hat; die Bezugnahme auf krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit genügt nicht.

Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur gesundheitlichen Eignung von Einstellungsbewerbern und Probebeamten ist auf die Auswahlentscheidung für ein Beförderungsamt zu übertragen.

Tenor
Dem Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig untersagt, die Beigeladenen unter Einweisung in die … ausgeschriebenen Stellen einer Justizhauptsekretärin/eines Justizhauptsekretärs am Amtsgericht T... zu befördern, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin erneut entschieden wurde und zwei Wochen seit der Mitteilung dieser Entscheidung vergangen sind.

Gründe
1
Die Antragstellerin steht wie die Beigeladenen als Justizobersekretärin (BesGr A 7) im Dienst des Landes Berlin. Antragstellerin und Beigeladene bewarben sich um die ausgeschriebenen Stellen einer Justizhauptsekretärin/eines Justizhauptsekretärs (BesGr A 8) am Amtsgericht T....
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Der Antragsgegner hatte in einer ersten Auswahlentscheidung im Dezember 2014 die Beigeladenen ausgewählt. Die Kammer untersagte dem Antragsgegner mit Beschluss vom 23.04.15 (VG 5 L 43.15) die Beförderung der Beigeladenen im Wege einstweiliger Anordnung, weil es der Antragsgegner versäumt hatte, die dienstlichen Beurteilungen der Bewerberinnen mit Blick auf das in der Ausschreibung bekannt gemachte Anforderungsprofil des Beförderungsamtes inhaltlich auszuschöpfen (sog. Ausschärfung), und bei gleicher Gesamtnote das Auswahlinterview hatte entscheiden lassen.
3
Daraufhin traf der Antragsgegner eine neue Auswahlentscheidung und lehnte danach die Bewerbung der Antragstellerin mit Bescheid vom 16.07.15 erneut ab. Über die dagegen erhobene Klage der Antragstellerin (VG 5 K 203.15) hat die Kammer noch nicht entschieden.
4
In dem Auswahlvermerk vom 02.07.15 heißt es, die vom Verwaltungsgericht geforderte differenzierte Auswertung der dienstlichen Beurteilungen müsse bei aktueller Betrachtung des Bewerberfeldes hinter einem anderen Aspekt zurücktreten. Ein Vergleich der krankheitsbedingten Fehlzeiten der letzten fünfeinhalb Jahre zeige, dass die Antragstellerin durchschnittlich 60 Kalendertage pro Jahr gefehlt habe, die Beigeladenen zwischen 10 und 21 Tage. Die gesundheitliche Eignung sei nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ein zulässiges Differenzierungskriterium bei der Bewerberauswahl und es sei auch zulässig, aus vergangenen Fehlzeiten auf zukünftige zu schließen; Bewerber, die im Durchschnitt mehr als 25 Kalendertage krankheitsbedingt gefehlt hätten, könnten regelmäßig von einer Beförderung ausgeschlossen werden. Die Antragstellerin habe in den Jahren 2010 bis 2013 jeweils zwischen 35 und 43 Fehltage aufgewiesen; lediglich im Jahr 2014, dem Jahr des Auswahlverfahrens, seien es mit acht Fehltagen deutlich weniger gewesen. Die Entwicklung des Jahres 2015 werfe dagegen umso größere Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin für das Beförderungsamt auf; sie habe zunächst vom 30.12.14 bis 09.01.15 gefehlt und sei seit dem 02.02.15 durchgehend krankgeschrieben. Wenn auch den Fehlzeiten der Antragstellerin in den Jahren 2010 bis 2014 bei der ersten Auswahlentscheidung keine verfahrensentscheidende Bedeutung beigemessen worden sei, so begründeten diese nunmehr in Verbindung mit der Entwicklung der Krankheitszeiten im Jahr 2015 erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung.
5
Der erneute Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die ausgeschriebenen Planstellen mit den Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin erneut entschieden worden ist, hat Erfolg. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
6
Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin. ...
7
Geeignet ... ist ein Bewerber nur dann, wenn er dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Bei der erforderlichen Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht. Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht ernannt werden. Er kann nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die zur Vergabe stehenden Ämter einbezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.13 - BVerwG 2 C 12.11 -, Rn. 10).
8
Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eines Einstellungsbewerbers müssen nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers bezieht sich dabei nicht nur auf den gegenwärtigen Stand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt. Diese Prognose muss den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze erfassen; es kommt darauf an, ob der betreffende Beamte voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt Dienst leisten wird oder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 13 ff.). In Bezug auf die Entlassung eines Probebeamten hat das Bundesverwaltungsgericht „nachhaltige Zweifel“ des Dienstherrn, insbesondere aufgrund von erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit, nicht genügen lassen. Vielmehr sei auch bei längeren oder wiederkehrenden krankheitsbedingten Fehlzeiten während der Probezeit auf der Grundlage aussagekräftiger ärztlicher Stellungnahmen zu klären, ob der Beamte wegen der diesen Fehlzeiten zu Grunde liegenden Erkrankung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden müsse oder erhebliche und regelmäßige Ausfallzeiten aufweisen werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.13 - BVerwG 2 C 16.12 -, Rn. 29). Bei der Einschätzung der gesundheitlichen Eignung der Bewerber stehe dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.13, a.a.O., Rn. 24 ff.; Urteil vom 30.10.13, a.a.O., Rn. 19).
9
Diese Grundsätze sind nach Auffassung der Kammer auf die Auswahlentscheidung bei der Vergabe eines höherwertigen Amtes zu übertragen. Auch zur Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Grundgehalt bedarf es einer Ernennung (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG). Auch diese Entscheidung darf nur nach den in Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung erfolgen. Die gesundheitliche Eignung ist deshalb auch insoweit ein zulässiges Auswahlkriterium. Die Auswahlentscheidung kann aber nur dann auf mangelnde gesundheitliche Eignung eines Bewerbers gestützt werden, wenn der Dienstherr eine Prognose der künftigen gesundheitlichen Entwicklung auf der Grundlage einer individuellen Würdigung des Gesundheitszustandes vorgenommen hat. Die bloße Bezugnahme auf krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit genügt auch insoweit nicht (anders noch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.08 - OVG 4 S 36.08 -, BA Seite 4 ff.; VG Berlin, Beschluss vom 26.02.15 - VG 7 L 590.14 -, Rn. 30 ff., Beschluss vom 15.07.15 - VG 7 L 203.15 -, Rn. 16).
10
Es kann deshalb dahinstehen, ob der Auswahlvermerk vom 02.07.15 - unabhängig von seinem rechtlichen Ausgangspunkt - weitere rechtlich relevante Fehler enthält, die den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin verletzen. Die Erwägung des Antragsgegners, es sei im Hinblick auf die längere Erkrankung der Antragstellerin im Jahr 2015 - 161 Fehltage bis zum 30.06.15, wodurch sich der Durchschnitt ihrer Fehlzeiten deutlich erhöht (2010 bis 2014: 34 Tage; 2010 bis 2015: 60 Tage) - „auch der zeitliche Zusammenhang mit der ersten ablehnenden Beförderungsentscheidung und dem Beginn der Erkrankung“ zu berücksichtigen, erschließt sich der Kammer jedenfalls nicht ohne weiteres. Gleiches gilt für den vom Antragsgegner gewürdigten „Umstand, dass die Antragstellerin keine konkreten Angaben zu Art, Umfang und Folgen ihrer Erkrankung gemacht“ habe. Es erscheint darüber hinaus zweifelhaft, ob der Antragsgegner der Antragstellerin vorhalten kann, sie habe keine Angaben zu ihrer Erkrankung gemacht. Denn es war der Antragsgegner, der mit Schreiben vom 22.05.15 eine Unterredung zwischen Dienststellenleitung, Frauenvertreterin und Antragstellerin über die berufliche Entwicklung der Antragstellerin vor der Auswahlentscheidung abgesagt hat. Die Antragstellerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 03.06.15 den Vorschlag zu einem Gespräch im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements grundsätzlich begrüßt. Der Antragsgegner hätte somit Gelegenheit gehabt, von ihm für notwendig gehaltene weitere Angaben zu der Erkrankung der Antragstellerin zu erfragen.
11
Die Auswahl der Antragstellerin im Rahmen einer neuen Auswahlentscheidung erscheint möglich, da offen ist, zu welchem Ergebnis eine individuelle Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin gelangen wird und wie danach gegebenenfalls der eigentliche Leistungsvergleich zwischen der Antragstellerin und den Beigeladenen ausfallen wird. Von einer „Ausschärfung“ der dienstlichen Beurteilungen hatte der Antragsgegner mit Blick auf die vermeintlich fehlende gesundheitliche Eignung der Antragstellerin bewusst abgesehen.
12
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie ist auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angewiesen, um die bevorstehende Beförderung der Beigeladenen und damit einen endgültigen Rechtsverlust zu verhindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.10 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 31 ff.).

OVG NRW, Beschluss vom 14.06.22 - 6 B 484/22 -
Auszug:

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag gestützt auf die Erwägung abgelehnt, der Antragsteller hätte in einem neuen Auswahlverfahren keine Chance, ausgewählt zu werden. Bei der Bewertung der Eignung der Bewerber um einen Beförderungs-/Dienstposten habe der Dienstherr immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der einzelne Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspreche. Denn geeignet im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG sei nur, wer dem angestrebten Amt auch in körperlicher und psychischer Hinsicht gewachsen sei. Zum Ausschluss eines Bewerbers aus dem Stellenbesetzungsverfahren sei der Dienstherr bereits bei Vorliegen begründeter Zweifel an der gesundheitlichen Eignung berechtigt. Er habe begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung bis zum Ernennungszeitpunkt zu berücksichtigen.
Es bestünden begründete Zweifel, dass der Antragsteller den Anforderungen der in Rede stehenden Beförderungsstellen in gesundheitlicher Hinsicht entspreche. Ausweislich der Mitteilung des Ergebnisses der Begutachtung ... liege [bei dem Antragsteller] ein psychiatrisches Krankheitsbild vor (rezidivierende depressive Symptomatik, die auch in der Persönlichkeit verwurzelt sei, mit emotional instabilen und impulsiven Zügen sowie verstärkter Kränkbarkeit). Frau Dr. X. folge der Beurteilung des behandelnden Psychiaters insofern, dass hier kaum Veränderungsmöglichkeiten bzw. durch psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen kaum Einflussmöglichkeiten bestünden.
Der Umstand dauernder Dienstunfähigkeit liege bei dem Antragsteller zunächst nicht vor. Eine Weiterbeschäftigung im Strafvollzug sei jedoch nicht mehr zumutbar bzw. nicht leidensgerecht. Infrage würden anderweitige Einsatzmöglichkeiten bei Gericht oder den Justizbehörden kommen. Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit, insbesondere mit Stressbelastungen, Konfliktfähigkeit und gehobener Verantwortung für Schutzbefohlene, seien hierbei auszuschließen. Mit der Wiederherstellung der uneingeschränkten Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate sei für den Strafvollzug nicht zu rechnen.
Der Antragsgegner, der bestrebt sei, die streitbefangenen Stellen zeitnah zu besetzen, wäre - so das Verwaltungsgericht weiter - vor diesem Hintergrund somit nicht berechtigt und könne erst recht nicht verpflichtet sein, dem Antragsteller eine der Stellen als Justizvollzugshauptsekretär unter Missachtung des öffentlichen Interesses an möglichst effektiver Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Stellenbesetzung zu übertragen.
Diese Ausführungen werden mit dem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.



Zwei weitere Entscheidungen:
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz Konkurrentenschutz A - Z
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter Bewerbern Konkurrenz nach Art. 33 II GG Disziplinarverfahren Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Stehzeit im Amt als Voraussetzung Einengung des Bewerberkreises Leistungsprinzip / Art. 33 II GG Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) Frauenförderung spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Das weitere Auswahlverfahren Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Überprüfung ist eilig Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Widerspruch und/oder Klage Eilverfahren im Beförderungsstreit Der / die Beigeladene
Weitere Informationen Mehrfachbewerbung des Beamten Bewährungsaufstieg Besondere Testverfahren? Aufstieg nur für Ältere? Aufstieg: Länge der Dienstzeit Schadensersatz rechtswidrige Vergabe der Stelle Bundeslaufbahnverordnung
















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