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Disziplinarrecht: Chatgruppen


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Gehören Äußerungen in Chatgruppen zur geschützten Privatsphäre des Beamten?


Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30.06.23 - 28 E 803/23.D -

Leitsatz

1. Inhalte, die in einem Einzelchat zwischen freundschaftlich verbundenen Personen geteilt werden, sind disziplinarisch grundsätzlich nicht von Relevanz (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 13. 01.22 - 2 WD 4/21 -).

2. Bei Aussagen, die Rückschlüsse auf eine der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehende Gesinnung zulassen könnten, ist zunächst der objektive Gehalt der Aussage unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit des Äußernden zu ermitteln. Zudem muss für eine Verletzung der Treuepflicht eine entsprechende (subjektive) Gesinnung des Beamten gegeben sein (Anschluss an BVerwG, Urteile vom 28.01.22 - 2 WDB 7/21 -, vom 13.01.22 - 2 WD 4/21 - und Beschluss vom 10.10.19 - 2 WDB 2/19 -).

Verfahrensgang vorgehend VG Wiesbaden, 26. 05.23, 28 O 777/23.WI, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 26.05.23 - aufgehoben und der ... Antrag des Antragstellers auf Durchsuchung und Beschlagnahme abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Leitsatz des VGH Hessen enthält Hinweise auf grundlegende Entscheidungen, denen Sie im Ernstfall unbedingt nachgehen müssen.

Die Verfassungstreuepflicht darf keinesfalls in Zweifel geraten

Zu welche ernsten Konsequenzen - Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch das Disziplinargericht bzw. künftig vielleicht durch Verfügung des Dienstherrn - macht die nachstehende Entscheidung deutlich. Nach dieser Entscheidung folgten noch etliche mit ähnlicher Tendenz.
Dem sog. Orientierungssatz können Sie entnehmen, dass das Gericht erwartet, dass Beamt zu Angriffen auf die Verfassung nicht schweigen, sondern ihnen entgegen treten.

VG Greifswald, Urteil vom 14.01.22  - 11 A 1298/20 HGW -

Leitsatz

1. Die in Art. 33 Abs. 5 GG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verankerte, jeder Beamtin und jedem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar.  (RN 55)
2. Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Verfassungstreuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht.  (RN 61)
3. Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht setzt kein öffentlich sichtbares Verhalten voraus. Dies gilt auch für die Kundgabe politischer Überzeugungen.  (RN 63)
4. Bezogen auf den Austausch von Chat-Nachrichten mit verfassungsfeindlichen Inhalten liegt eine Verletzung der beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht nur im aktiven Versenden von Nachrichten mit den vorgeworfenen Inhalten, sondern auch in deren Empfang, ohne den Inhalten entgegen zu treten oder sich zumindest davon zu distanzieren.  (RN 64)
5. Der Beklagte hat gegen seine Verfassungstreuepflicht verstoßen, indem er durch mehrere rassistische, ausländerfeindliche und menschenverachtende (Bild-) Nachrichten in verschiedenen Chats zu erkennen gegeben hat, dass er sich nicht mehr zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennt.  (RN .65)
6. Die verfassungsrechtliche Konstituierung einer wehrhaften Demokratie schließt es aus, dass der Staat, dessen verfassungsmäßiges Funktionieren auch von der freien inneren Bindung seiner Amtsträger an die geltende Verfassung abhängt, zur Ausübung staatlicher Gewalt Amtsträger im Dienst belässt, die über ein gefestigtes menschenverachtendes und ausländerfeindliches Weltbild verfügen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen.  (RN 82)

Orientierungssatz

1. Die Verpflichtung zur Verfassungstreue verlangt, neben dem Bekennen für die freiheitlich-demokratischen Grundordnung, auch, dass Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.  (RN 57)

Tenor

Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
...

Tatbestand
...
RN 3
Am 3. August 1998 ist der Beklagte als Polizeimeisteranwärter in die Landespolizei eingetreten. Mit Wirkung vom 12. Juli 2000 wurde er zum Polizeimeister, ... zum 11. September 2008 zum Polizeioberkommissar ernannt. Seit dem 1. Februar 2002 war der Beklagte beim Landeskriminalamt (LKA M-V) eingesetzt. Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Pflichtverletzungen wurde er als Einsatzbeamter im Sondereinsatzkommando (SEK) beim LKA M-V verwendet.
RN 5
Er wurde zuletzt nach der Besoldungsgruppe A 10 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) besoldet und ist bis zur Einleitung des streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens disziplinar- und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
RN 6
Gegen den Beklagten wurde mit Verfügung des Direktors des LKA M-V vom 17. Juli 2019 wegen des Verdachts eines Dienstvergehens gemäß § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ein Disziplinarverfahren gemäß § 19 Abs. 1 Landesdisziplinargesetz (LDG M-V) eingeleitet. Dem lag der Verdacht zugrunde, der Beklagte habe gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. Zuvor hatte der Beklagte mit Schreiben vom 21. Juni 2019 auch selbst die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich gemäß § 20 Abs. 1 LDG M-V beantragt.
RN 7
Bereits mit Bescheid vom 19. Juni 2019 wurde dem Beklagten durch den Kläger die Führung seiner Dienstgeschäfte gemäß § 49 Landesbeamtengesetz (LBG M-V) i.V.m. § 39 BeamtStG verboten. Der dagegen gerichtete Eilantrag blieb sowohl vor dem Verwaltungsgericht Schwerin (Az. 1 B 1214/19 SN, Beschluss vom 12. November 2019) als auch vor dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Az. 2 M 876/19 OVG, Beschluss vom 31. Juli 2020) erfolglos. Mit Bescheid vom 9. August 2019 wurde zudem die Polizeizulage des Beklagten einbehalten. Mit Verfügung vom 26. November 2020 wurde der Beklagte unter Einbehaltung von 10 % der Dienstbezüge ab dem 1. Dezember 2020 vorläufig des Dienstes enthoben.
RN 8
...
RN 10
Im wesentlichen Ermittlungsergebnis heißt es zum Sachverhalt:
RN 11
„Im Rahmen des seitens der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen zunächst mehrere Beschuldigte (Polizeibeamte G. und R.) zusammen geführten Ermittlungsverfahrens (...) wurden Kommunikationsverläufe zwischen dem POK A. und den dortigen Beschuldigten G. sowie R. bekannt, die den Verdacht eines Verstoßes gegen die dem Beamten obliegende Pflicht zur Verfassungstreue begründeten.
RN 12
[…]
RN 13
Die Auswertung der Mobilfunkdaten ergab, dass der POK A. bei Herrn G. als Kontakt „J.“ […] gespeichert war. Die Auswertung ergab weiter, dass diese Kontaktdaten dem POK A. zuzuordnen sind. Durch Herrn G. ist der Kontakt am 04.11.12 erstellt worden. Die erste nachvollziehbare Kommunikation zwischen Herrn G. und dem POK A. fand am 06.11.12 in Form einer SMS (Versand einer Textnachricht) statt, die letzte nachvollziehbare Kommunikation am 13.03.18 erfolgte per Messenger WhatsApp in Form einer Textnachricht. Für diesen Zeitraum konnten 12 Anrufe/Anrufversuche, 70 SMS Mitteilungen, 2 MMS und 419 Chatnachrichten (über die Messenger WhatsApp und Telegram) festgestellt werden, die zwischen Herrn G. und dem POK A. gewechselt wurden. Es wurden ausschließlich direkte Kommunikationen ermittelt.
RN 14
Ferner ergab die Auswertung, dass POK A. bei Herrn R. als Kontakt „J.“ […] gespeichert war. Herr R. erstellte die beiden Kontakte am 16.01.11. Die erste nachvollziehbare Kommunikation zwischen Herrn R. und POK A. fand am 30.10.11 per Messenger WhatsApp in Form einer Textnachricht statt, die letzte nachvollziehbare Kommunikation am 22.04.18, ebenfalls in Form einer Textnachricht über WhatsApp. Insgesamt konnten in diesem Zeitraum zwei Anrufe/Anrufversuche, eine SMS, 4948 Chatnachrichten über den Messenger WhatsApp sowie 83 Chatnachrichten über den Messenger Telegram festgestellt werden.
RN 15
Zwischen Dezember 2016 und September 2017 konnte keine Kommunikation festgestellt werden. Möglicherweise wurden Löschungen vorgenommen. Die Kommunikation zu dem Beamten G. bestand u.a. aus antisemitischen, ausländerfeindlichen sowie nazi- und gewaltverherrlichenden Bild- und Textnachrichten.“
RN 16
Im Einzelnen wurden folgende Chatverläufe ausgewertet:
...

RN 17
Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2020 wurde dem Beklagten nach § 32 LDG M-V die Gelegenheit gegeben, sich abschließend im Disziplinarverfahren zu äußern. Mit Schriftsatz vom 12. August 2020 teilte der Beklagte daraufhin mit, dass nicht in Abrede gestellt werden könne, dass die 20 Bildnachrichten, die er in der Zeit von Mitte Dezember 2012 bis Anfang Januar 2017, eingebettet in hunderte weitere Nachrichten, für sich genommen fragwürdige bzw. anstößige Inhalte zum Gegenstand hätten. Außer diesen Nachrichten seien aber keine Anhaltspunkte vorhanden, denen zufolge er irgendwann und irgendwie eine rechtsextremistische, rassistische oder antisemitische Haltung kundgegeben oder betätigt habe. Die ausschließlich im Wege bilateraler Kommunikation versandten Nachrichten seien nicht geeignet und ausreichend, um bei ihm das Vorliegen einer verfestigten rechtsextremistischen, rassistischen oder antisemitischen Haltung zu schlussfolgern. Es reue ihn aufrichtig, die Nachrichten weitergeleitet zu haben. Was er damals zeitweilig als bloßen Ulk unter Kollegen angesehen habe, habe er aber schon vor Jahren als heikel und unangemessen erkannt, weil es ein schiefes Licht auf seine Person geworfen habe. Dieser selbst gewonnenen Einsicht folgend habe er schon seit März 2017 keine beanstandungswürdigen Nachrichten mehr versandt. Zweifelhaft sei zudem die Objektivität des Ermittlungsführers. Es habe zudem keine nähere Befassung mit seinem Persönlichkeitsbild gegeben. Ungeachtet der Verfahrensmängel sei ihm bei objektiver und unvoreingenommener Sichtweise kein oder nur ein leichtes Dienstvergehen vorzuwerfen.
RN 18
Am 31. August 2020 hat der Kläger Disziplinarklage erhoben. Er klagt den Beklagten an, innerdienstlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen und rechtswidrig und schuldhaft ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen zu haben. Im Einzelnen wirft der Kläger dem Beklagten folgende Pflichtverletzungen vor:

RN 19
[Es folgt hier eine Darstellung einer Vielzahl verfassungsfeindlicher, rassistischer Äußerungen des beklagten Beamten.]

RN 27
12. Auf einem zweiten am 13. März 2017 versandten Bild seien zwei Personen zu sehen, die Teppiche ausbreiten. Auf dem Bild sei zu lesen: „EILMELDUNG!!! TÜRKEN MACHEN DIE LUFTWAFFE EINSATZBEREIT“. Im Kontext zu den weiteren Bildnachrichten sei auch hierin eine ausländerfeindliche Schmähung zu sehen. Augenscheinlich solle der fliegende Teppich als Modell für die Rückständigkeit der türkischen Luftwaffe stehen. Der vom Beklagten versandten Nachricht liege ein Überlegenheitsgedanke zugrunde, der ein weiterer Beleg für die verfestigte rassistische Grundhaltung des Beklagten sei.
RN 28
13. Auf dem dritten am 13. März 2017 versandten Bild sei ein animiertes Schaf abgebildet und zu lesen: „Shaun das Schaf wird ab sofort abgesetzt. Es könnte Moslems unnötig GEIL machen!“. Hier würden mit islamfeindlichen, diskriminierenden und unzutreffenden Stereotypen Muslime herabgewürdigt, indem ihnen pauschal das Betreiben von Sodomie unterstellt werde. Dies sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckte Schmähkritik und füge sich in die vorangegangenen herabwürdigenden Nachrichten ein und spreche ebenfalls für die fremdenfeindliche Einstellung des Beklagten.
RN 29
14. Weiterhin werde auch in der Kommunikation zwischen dem Beklagten und dem Beamten R. die bereits in der Kommunikation mit G. zum Ausdruck gebrachte ausländerfeindliche sowie naziverherrlichende Haltung des Beklagten deutlich. So hätten R. und der Beklagte am 4. Juli 2013 bezüglich eines Aufenthaltes im Berliner Stadtteil Neukölln miteinander kommuniziert. R. habe dem Beklagten geschrieben: „[…] aber der kulturschock ist dir dennoch sicher […]“, worauf der Beklagte erwidert habe: „Ich befürchte es.“ Daraufhin habe R. geantwortet: „Ich bekomme den jedes mal… und leider auch Hakenkreuze in den Augen… ist echt nicht mehr schön da.“ Ferner habe R. am 30. November 2017 geschrieben: „meldest du dich wegen morgen Abend? Nachtchen du nazi;)“, woraufhin dieser erwidert habe: „Mach ich. Guts Nächtle“. Die Kommunikation zum Aufenthalt in Neukölln sei auch deshalb relevant, weil sie die Glaubhaftigkeit von verschiedenen in den bisherigen Gerichtsverfahren zur Entlastung abgegebenen Einlassungen widerlege. In einem Vermerk vom 27. Mai 2019 sei fälschlicherweise festgehalten worden, dass die Formulierung „Hakenkreuze in den Augen“ durch den Beklagten getätigt worden sei. Dazu habe sich der Beklagte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht Schwerin dahingehend eingelassen, dass er diese Nachricht versandt habe, weil er durch die von ihm wahrgenommenen Zustände in Berlin Neukölln xenophobe Anwandlungen verspürt habe und er hierüber erschrocken gewesen sei. Diesbezüglich habe er unter anderem auf Schilderungen seines Schwiegervaters, der immer wieder von Übergriffen von Menschen mit Migrationshintergrund berichtet habe, verwiesen. Diese Äußerungen seien von ihm ins Blaue hinein getätigt worden, da die Überprüfung der gewonnenen Auswertungsberichte ergeben habe, dass insoweit ein Fehler vorgelegen habe. Tatsächlich habe nicht er von „Hakenkreuzen in den Augen“ geschrieben, sondern R.. Der Beklagte habe demnach einen aus der Luft gegriffenen Erklärungsversuch für eine Äußerung geliefert, die er nicht getätigt habe. Glaubhaft wäre es gewesen, wenn er die Äußerung bestritten oder sich zumindest darauf zurückgezogen hätte, sich nicht daran erinnern zu können. Durch diese Vortragsweise sei die Glaubwürdigkeit des Beklagten erheblich erschüttert worden. Bedenklich sei zudem die fehlende Reaktion auf die Nachricht des R. „nachtchen du nazi ;)“. Da keine gegensätzliche Antwort oder Klarstellung erfolgt sei, könne davon ausgegangen werden, dass der Beklagte mit dieser Ansprache und Titulierung als Nazi einverstanden sei. Jeder, der sich vom Gedankengut des Nationalsozialismus distanziere, würde einer solchen Ansprache vehement widersprechen.

RN 30
Der Kläger führt ferner aus, dass der begründete, ernsthafte und schwerwiegende Verdacht bestehe, dass der Beklagte eine rechtsextreme, rassistische, antisemitische und somit verfassungsfeindliche Einstellung vertrete. Es sei widerlegt, dass er sich zu einer derartigen Kommunikation nur vorübergehend hinreißen lassen habe. Allein der langjährige Zeitraum belege, dass bei dem Beklagten eine stark verfestigte Auffassung vorliege. Die Begeisterung, mit der er entsprechende Bildnachrichten kommentiert habe, widerlege auch das Vorbringen, dass er diesen Nachrichten angeblich keine Bedeutungsschwere zugemessen habe. Ebenso spreche die vermeintlich geringe Anzahl der Bilder nicht gegen seine verfassungsfeindliche Einstellung. Aufgrund des Inhalts der Nachrichten sei irrelevant, dass die verfahrensgegenständlichen Nachrichten sich im Verhältnis zu den sonstigen gewechselten Nachrichten in der Minderheit befunden hätten. Grundsätzlich könne auch eine einzige Handlung und/oder Nachricht geeignet sein, erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue des Beklagten zu begründen. Im Übrigen enthalte der Inhalt der sonstigen gewechselten Kommunikation nichts, was die in den verfahrensgegenständlichen Nachrichten zum Ausdruck kommende Gesinnung relativieren oder gar korrigieren würde. Weiter greife auch der zur Entlastung durch den Beklagten eingewandte Hinweis auf die damaligen Zeitgeschehnisse und die damit vermeintlich einhergehende Flut fragwürdiger Bildinhalte in den sozialen Medien nicht durch. Er spiele damit vermutlich auf die im Jahr 2015 einsetzende Flüchtlingskrise an. Die ersten Nachrichten seien aber bereits im Jahr 2012 verschickt bzw. begeistert kommentiert worden, also drei Jahre vor dem ins Feld geführten Zeitgeschehen. Dieser Umstand belege, dass bei dem Beklagten bereits lange vor Beginn der Flüchtlingskrise eine verfestigte rechtsextremistische, rassistische, fremden-, islamfeindliche und antisemitische Haltung vorgelegen habe. Soweit der Beklagte im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ferner vorgetragen habe, dass die Kommunikation allein im Hinblick auf den betreffenden anderen Kommunikationsteilnehmer erfolgt sei, dringe er damit nicht durch. Bei dem Kommunikationsteilnehmer handele es sich um G., der die zentrale Person des rechtsextremen Netzwerks „Nordkreuz“ gewesen sei und dessen entsprechende Auffassungen ihm augenscheinlich bekannt gewesen seien und die sich mit dem Inhalt der von ihm versandten Bildnachrichten und seinen Kommentaren deckten. Ferner könne die bisherige nicht zu beanstandende Dienstausführung nicht zu einer Entlastung des Beklagten führen. Betroffen sei hier die Vertrauensebene bezüglich der Verfassungstreue und nicht die hinsichtlich seiner ihm obliegenden ordnungsgemäßen Dienstausführung. Die bisherige Dienstausführung könne demnach das zerstörte Vertrauensverhältnis nicht heilen. Vielmehr sei das Vertrauensverhältnis auch dadurch zerstört, dass sich der Beklagte als Angehöriger einer Spezialeinheit, die es gewohnt sein sollte, sich schnell, professionell und situativ auf bestimmte äußere Gefahrensituationen einzustellen und darauf angemessen zu reagieren, durch Ereignisse des Zeitgeschehens zu derartigen Bemerkungen und Kommentierungen habe hinreißen lassen. Das Zeitgeschehen habe im streitgegenständlichen Zeitraum zudem Wandlungen unterlegen. Die Äußerungen des Beklagten hätten demgegenüber jedoch stets den gleichen Hintergrund, sie seien unabhängig vom jeweiligen Zeitgeschehen erfolgt und sprächen für eine verfestigte verfassungsfeindliche Einstellung des Beklagten. Durch das Vertreten und Propagieren einer rechtsextremistischen und menschenverachtenden Einstellung sei belegt, dass der Beklagte nicht bereit sei, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Die schuldhafte und vorsätzliche Missachtung der politischen Treuepflicht sei disziplinarrechtlich grundsätzlich von erheblicher Bedeutung, weil die Einhaltung dieser Pflicht unverzichtbare beamtenrechtliche Kernpflicht sei. Durch die schwerwiegende Verletzung seiner Grundpflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG habe der Beklagte das Vertrauen sowohl der Allgemeinheit als auch des Dienstherrn in eine zukünftige amtsentsprechende Dienstführung zerstört. Von einem Bedauern und Reue des Beklagten sei erst seit der abschließenden Äußerung in Bezug auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen im Disziplinarverfahren die Rede. Den bislang geführten Verwaltungsrechtsstreitigkeiten und diversen Korrespondenzen seien indes keine Anzeichen für das Einräumen eines etwaigen Fehlverhaltens und ein Bedauern bzw. reuiges Verhalten zu entnehmen gewesen. Vielmehr habe man sich seitens des Beklagten auf Rechtfertigungen und Erklärungsversuche beschränkt. Somit handele es sich vorliegend um reine Schutzbehauptungen.
RN 31
Der Kläger beantragt,
RN 32
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
RN 33
Der Beklagte beantragt,
RN 34
die Klage abzuweisen.
RN 35
Er führt zur Begründung aus, dass die angestrebte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in den vorgehaltenen Handlungen keine Rechtfertigung finde. Zunächst werde die Befangenheit des Ermittlungsführers W. gerügt. Abgesehen von der schleppenden Bearbeitung und dem verzögerten Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens seien die Ermittlungen weder gründlich noch unvoreingenommen geführt worden. Der Ermittlungsführer habe sich von vornherein ausschließlich auf die Auswertung der Kommunikation mit G. und R. beschränkt. Eine erschöpfende Ermittlung aller be- und entlastenden Umstände sei nicht erfolgt. Dies gelte auch mit Hinblick auf sein Persönlichkeitsbild, welchem bei dem Vorwurf mangelnder Verfassungstreue besonderes Gewicht zukomme. Zudem seien seine Einlassungen stets nur als Schutzbehauptungen abgetan worden. Die unzureichende Sachverhaltsaufklärung und- würdigung stelle zudem auch einen wesentlichen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens selbst dar.
RN 36
In materieller Hinsicht werde beanstandet, dass der ihm angelastete Verstoß gegen seine Pflichten zur Verfassungstreue und zur politischen Mäßigung unbegründet seien. In Betracht komme allenfalls ein Dienstvergehen wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zum außerdienstlichen achtungs- und vertrauensvollen Verhalten. Aus den fragwürdigen und anstößigen Inhalten der Nachrichten könne eine verfestigte rechtsextremistische Haltung nicht geschlussfolgert werden. Die in Rede stehenden Bildnachrichten müssten satirisch und humoristisch verstanden werden und würden den Eindruck einer Persiflage hervorrufen. Zudem sei weder der NS-Kriegsverbrecher Kaltenbrunner noch der rechtsextremistische Autor Porsch verherrlicht worden. Der Austausch über dieses Werk mit G. sei keine Verherrlichung gewesen. Zudem habe er den Aliasnamen Kaltenbrunner im Hinblick auf die Bergsteigerin dieses Namens benutzt. Die Kommunikation mit R. sei irrelevant. Die langjährigen Angehörigen einer Einsatzgruppe beim SEK untereinander bedienten sich eines flapsig-scherzhaften Tons. Er habe deshalb keinen Anlass gesehen, sich gegen fragliche Bemerkungen zu verwahren. Maßnahmemildernd sei zu berücksichtigen, dass er es stets bereut habe, den in Rede stehenden Nachrichtenaustausch gepflegt zu haben, die Kommunikation Anfang 2017 eingestellt habe und seinen Dienst tadellos und leistungsstark verrichtet habe. Weiterhin habe der Kläger bei gleich gelagerten Sachverhalten von Kollegen hinsichtlich des Ahndungsgrades erheblich divergierende Disziplinarmaßnahmen ergriffen und damit gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Bei dem Verfahren handele es sich zudem um ein Politikum. Nach langjähriger tadelloser Verrichtung eines anspruchsvollen Dienstes beim SEK habe der Kläger ohne Not zufällig bekannt gewordene und aus der Privatsphäre von ihm und Kollegen stammende Nachrichten als Anlass für eine öffentliche Skandalisierung genommen. Ferner bestünden Bedenken gegen die Verwendung und Verwertung der elektronischen Daten, die in dem gegen G. und R. geführten Ermittlungsverfahren sichergestellt worden seien. Die vorliegenden Chatverläufe seien dabei als Zufallsfunde bekannt geworden. Er sei aber in dem Verfahren verfahrensfremder Dritter gewesen. Für die Verwendung der Daten im Disziplinarverfahren wäre daher ein richterlicher Beschlagnahmebeschluss des Vorsitzenden der Disziplinarkammer notwendig gewesen.
RN 37
Mit Schriftsatz vom 26. April 2021 hat der Kläger einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Aussetzung nach § 53 Abs. 2 LDG M-V zum Zwecke der Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage gestellt. In dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen die Herren G., R. und P. wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz seien die Mobilfunkgeräte der Beschuldigten ausgewertet worden. Aus den Kommunikationsverläufen ergebe sich der Verdacht, dass der Beklagte Falscheintragungen in sein Schießbuch vorgenommen habe bzw. solche Falscheintragungen habe vornehmen lassen.
RN 38
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 dazu Stellung genommen und erklärt, dass keine konkreten Anhaltspunkte für den Verdacht eines Dienstvergehens vorlägen. Es habe sich lediglich um Nachtragungen von dienstlichen Schießübungen gehandelt, bei denen er sein Schießbuch nicht dabeigehabt habe. Der Fortbildungsleiter des SEK habe erklärt, dass es zulässig sei, die dienstlichen Schießtermine im privaten Schießbuch einzutragen, um das waffenrechtliche Bedürfnis zum Erwerb von Schusswaffen glaubhaft machen zu können. Zum Zeitpunkt der Nachtragungen habe er privat eine Waffe kaufen wollen. Als Entgegenkommen für die Nachtragungen habe man sich darauf geeinigt, das zu bezahlen, was die private Nutzung der Schießbahn gekostet hätte.
RN 39
Mit Beschluss vom 26. Mai 2021 hat das erkennende Gericht das Verfahren ausgesetzt und das Ende der Frist zur Einreichung der Nachtragsdisziplinarklage auf den 27. August 2021 festgesetzt. Mit Beschluss vom 3. August 2021 hat das Gericht die Frist auf Antrag des Klägers bis zum 10. September 2021 verlängert.
RN 40
Mit Schriftsatz vom 7. September 2021, eingegangen am 10. September 2021, hat der Kläger Nachtragsdisziplinarklage erhoben. Dem Beklagten werde vorgeworfen, sich mit R., einem damaligen Kollegen aus dem Kommando des SEK, dazu verabredet zu haben, für Montag, den 9. September 2013, einen Eintrag in sein Schießbuch vorzunehmen, ohne diesen Schießtermin tatsächlich wahrnehmen zu wollen. Dies ergebe sich daraus, dass R. am 5. September 2013 geschrieben habe: „wollen wir für morgen uns nen termin in gü bockhorst holen und ne stunde schießen fahren? können dann ja gleich deinen trick anwenden und uns fiktiv für montag einschreiben lassen. sollten wir dann nächste Woche dienstlich noch fahren haben wir wieder drei mal geschaftt“ Der Beklagte habe darauf geantwortet: „Klingt gut. Kann ich aber noch nicht sagen. Müsste das erst besprechen. Ich muss morgen früh auch erstmal gleich zum arzt ne spritze abholen. Wenn dir das heute abend reicht an info“.
RN 41
Die Formulierungen des R., der von „Trick“ und „fiktiv einschreiben“ spreche, könnten nur so verstanden werden, dass Falscheintragungen gemeint seien, die der Beklagte gut gefunden habe. Zwar sei der vorgeschlagene Schießtermin schließlich – vermutlich aufgrund des Arzttermins – nicht zustande gekommen. Die Kommunikation belege jedoch, dass der Beklagte grundsätzlich dazu bereit gewesen sei, die Falscheintragungen in sein Schießbuch vorzunehmen.
RN 42
Des Weiteren habe der Beklagte seinen ehemaligen Dezernatskollegen G. dazu veranlasst, dass dieser Schießtermine in sein Schießbuch eingetragen habe, ohne dass diese Schießtermine tatsächlich stattgefunden hätten. Diesbezüglich habe der Beklagte am 7. Januar 2016 an G. geschrieben: „…dann würde ich gerne mit dir noch bzgl. Schießen sprechen. Habe noch ein kleines Problem, Würde mir gerne noch vor der IWA ne Glock kaufen bei F. Kann ich dich dazu mal anrufen?“ und im Weiteren im Zeitraum vom 8. Februar 2016 bis zum 28. September 2016 folgende Kommunikation mit G. geführt:
...
...

RN 43
Mit den Falscheintragungen in sein Schießbuch habe der Beklagte die Absicht verfolgt, das nach §§ 1, 14 Waffengesetz (WaffG) notwendige Bedürfnis zum Vorhalt und Erwerb einer privaten Waffe vorzutäuschen. In Auswertung der kopierten Seiten des Schießbuches sei festzustellen gewesen, dass sich die Nachtragungen bzw. möglichen Falscheintragungen ins Schießbuch auf den Zeitraum Januar bis September 2016 und dabei 13-mal auf den Schießplatz des Schützenvereins Plate 1990 e.V. und zweimal auf den Schießplatz „Großer Bockhorst“ in C-Stadt bezögen. Im Zuge der Ermittlungen habe sich ebenfalls herausgestellt, dass der Schießplatz des Schützenverein Plate 1990 e.V. vom LKA M-V noch nie für dienstliche Schießtermine genutzt worden sei.
RN 44
Motivation des Beklagten sei offenbar gewesen, bei T. („F.“), einem bekannten Waffenverkäufer aus B-Stadt, eine Pistole des Modells „Glock 17“ zu erwerben. Zum Nachweis des Bedürfnisses für den Waffenerwerb habe er die entsprechenden Eintragungen in sein Schießbuch benötigt. G. sei im zur Rede stehenden Zeitraum Mitglied des Schützenvereins Plate und als solcher auch berechtigt gewesen, autorisierte Eintragungen in Schießbücher vorzunehmen. Die wiederholten Fragen des Beklagten an G. zur Vergütung der geleisteten Eintragungen würden zudem verdeutlichen, dass es dem Beklagten ein starkes Bedürfnis gewesen sei, G. für seine Gefälligkeiten an seinem Schießbuch zu entlohnen. Hätte der Beklagte die eingetragenen Schießtermine tatsächlich wahrgenommen, so hätte er, da ihm die Bezahlung so sehr am Herzen gelegen habe, bei den Schießterminen den fälligen Betrag zur Nutzung des Schießplatzes gleich bezahlt. Es deute aber alles darauf hin, dass der Beklagte die eingetragenen Schießtermine gar nicht wahrgenommen habe und sein Schießbuch von Januar 2016 bis zum 21. September 2016 bei G. gelegen habe, damit dieser Einträge in das Schießbuch habe vornehmen können. Bei dem Eintrag vom 7. Juli 2016 habe es sich wohl tatsächlich um die Bestätigung eines dienstlichen Schießtermins gehandelt. Herr N. („N.“) sei Angestellter bei T. und zugleich Mitarbeiter und Platzwart des Güstrower Schießplatzes „Großer Bockhorst“ gewesen. Da das SEK auf dem Schießplatz regelmäßig dienstliche Schießtrainings absolviert habe, sei von der Nachtragung eines tatsächlichen dienstlichen Schießtermins auszugehen. Bei den 14 Einträgen im Zeitraum vom 15. Januar 2016 bis 16. September 2016 müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich um Falscheintragungen handele bzw. dass die mit diesen Eintragungen bestätigten Schießtermine nicht stattgefunden hätten. Dies gelte auch für den am 2. Juni 2016 eingetragenen Termin am Schießplatz „Großer Bockhorst“, da der Beklagte dort Urlaub gehabt habe und demnach auszuschließen sei, dass er an diesem Tag an einer dienstlichen Schießübung teilgenommen habe. Es sei ferner so, dass der Beklagte auch an vielen weiteren anderen eingetragenen angeblichen dienstlichen Schießterminen nicht im Dienst gewesen sei. Dies betreffe den 15. Januar, 29. Januar, 26. Februar, 19. März, 22. April, 29. April, 13. Mai, 2. Juni, 19. August und 16. September 2016. Insgesamt sei der Beklagte nur an fünf der 15 behaupteten dienstlichen Schießtermine im Dienst gewesen. Wenngleich es sich bei dem Vorgenannten um kein Dienstvergehen von erheblichem Gewicht handele, so sei der Umstand, dass der Beklagte als Vollzugsbeamter Falscheintragungen in sein Schießbuch vorgenommen habe, um sich auf illegale Weise die Möglichkeit zum Kauf einer Waffe zu erschleichen, bei der Gesamtwürdigung der Disziplinarklage nicht außen vor zu lassen.
RN 45
Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 hat der Kläger erwidert, dass er nicht behauptet habe, dass sämtlichen im Zeitraum von Januar bis September 2016 im Schießbuch vorgenommenen Eintragungen dienstliche Schießübungen zugrunde lägen. Die diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz vom 20. Mai 2021 hätten sich allein auf die Frage bezogen, ob dienstliche Schießübungen überhaupt eintragungsfähig seien. Schießtermine seien auch in seiner Freizeit wahrgenommen und später nachgetragen worden. Aus diesem Grund sei auch die diesbezügliche Korrespondenz völlig unverfänglich. Er habe die Zahlung einer zusätzlichen Gebühr für die Schießplatznutzung zudem als gute Geste gegenüber dem Schießplatzbetreiber verstanden, da die dienstlichen Schießübungen ohnedies im Schießbuch eintragungsfähig gewesen wären. Zudem sei nicht nachgewiesen oder sonst irgendwie ersichtlich, dass mit dem von R. angesprochenen „Trick“ Falscheintragungen gemeint gewesen seien. Ferner sei aus seiner Antwort auf den Vorschlag („Klingt gut.“) nicht ableitbar, dass er grundsätzlich dazu bereit und willens gewesen sei, Falscheintragungen in sein Schießbuch vorzunehmen. Er habe sich seinerzeit ausdrücklich zweifelnd und unentschlossen erklärt.
RN 46
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Disziplinar- und Verwaltungsvorgänge des Klägers, die Akten der Verfahren 11 A 87/20 HGW, 11 A 660/20 HGW, 1 B 1214/19 SN und 2 M 876/19 OVG sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2022 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
RN 47
Die gemäß § 52 Abs. 1 LDG M-V zulässige Disziplinarklage ist begründet. Als erforderliche Disziplinarmaßnahme ist auf die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (§ 60 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 12 LDG M-V) zu erkennen. Aufgrund des schweren Dienstvergehens hat der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren.
A.
RN 48
Es bestehen zunächst keine formellen Mängel des Disziplinarverfahrens.
RN 49
Insbesondere unterliegen die vom Kläger verwendeten Chatprotokolle keinem Beweisverwertungsverbot. Eine gesetzliche Grundlage existiert hierzu nicht. Die erforderlichen Beweise sind gemäß § 26 LDG M-V zu erheben. Hierbei können insbesondere (Nr. 1) schriftliche dienstliche Auskünfte eingeholt werden, (Nr. 2) Zeugen und Sachverständige vernommen oder ihre schriftlichen Äußerungen eingeholt werden, (Nr. 3) Urkunden und Akten beigezogen sowie (Nr. 4) der Augenschein eingenommen werden. Auch aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten besteht ein Beweisverwertungsverbot nicht. Die Beweise, insbesondere die Chatprotokolle, sind im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren rechtmäßig erlangt worden. Die vorliegenden Chatprotokolle wurden in dem gegen G. und R. geführten Ermittlungsverfahren (Az. Js 33228/18) sichergestellt. Nicht ersichtlich ist dabei, dass die Verwertung der gewonnenen Beweismittel allein dem Strafverfahren vorbehalten und dem Disziplinarverfahren vorenthalten bleiben sollen. Ebenso beschränkt sich die rechtmäßige Sicherstellung von Daten nicht auf den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, sondern erfasst auch die Kommunikation mit jeweiligen Kommunikationspartnern. Gesetzliche Vorschriften, die Gegenteiliges regeln, sind nicht ersichtlich. Der Kläger war auch nicht gehalten eine Beschlagnahme und Durchsuchung beim Vorsitzenden der Disziplinarrechtskammer des erkennenden Gerichts zu beantragen. Die gegenständlichen Chatprotokolle waren bereits in einem rechtsstaatlichen Verfahren sichergestellt worden.
RN 50
Ein Beweisverwertungsverbot ist auch nicht vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 12. April 2005 (Az. – 2 BvR 1027/02 –, BVerfGE 113, 29-63) und 16. Juni 2009 (Az. – 2 BvR 902/06 –, BVerfGE 124, 43-77, Rn. 101) gegeben. Danach ist nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, in denen die Beschränkung auf den Ermittlungszweck der Datenträgerbeschlagnahme planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wird, ein Beweisverwertungsverbot als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme von Datenträgern und der darauf vorhandenen Daten geboten. Vorliegend ist nicht zu erkennen oder vom Beklagten nachvollziehbar vorgetragen worden, dass diese Voraussetzungen hier gegeben sind.
RN 51
Soweit der Beklagte ferner eine Befangenheit des Ermittlungsführers W. rügt, ist ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht festzustellen. Selbst wenn mit dem Beklagten davon auszugehen wäre, dass die Besorgnis der Befangenheit des Ermittlungsführers begründet wäre, wäre der darin liegende Verfahrensmangel unbeachtlich. Auch im Disziplinarrecht gilt der gerichtliche Untersuchungsgrundsatz § 58 Abs. 1 Satz 2 LDG M-V,§ 3 LDG M-V i. V. m. § 86 VwGO), der die Disziplinargerichte zur umfassenden Aufklärung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und der für den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Umstände von Amts wegen verpflichtet, so dass es auf eine mögliche Befangenheit von Mitarbeitern im behördlichen Disziplinarverfahren nicht ankommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 B 69.10 –, juris m. w. N.; OVG Bautzen, Urteil vom 25. September 2015 – 6 A 518/14.D –, juris). Im Übrigen liegen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Ermittlungsführers vor. Ob ein Amtsträger wegen der Besorgnis der Befangenheit unzulässiger Weise in einem Disziplinarverfahren tätig geworden ist, richtet sich mangels entgegenstehender Vorschriften nach § 3 LDG M-V i. V. m. § 21 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG M-V). Nach den zu § 21 VwVfG M-V entwickelten Grundsätzen ist eine Befangenheit des Amtsträgers gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Amtsträgers zu rechtfertigen. Diese Voraussetzung ist zu bejahen, wenn auf Grund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten des Verfahrens nach den Gesamtumständen die subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden. Hierbei können die Gründe in der Person dessen liegen, der tätig werden soll, oder in der Art der Sachbehandlung, die vom Amtsträger erwartet wird. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, das Disziplinarverfahren sei nur schleppend geführt und dabei insbesondere im Hinblick auf sein Persönlichkeitsbild nicht umfassend ermittelt worden, sondern habe sich stattdessen nur auf die Auswertung der Chatkommunikation beschränkt, führt dies nicht zur Annahme der Voreingenommenheit des Ermittlungsführers. Sowohl im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen als auch in der Disziplinarklage selbst finden sich Angaben zum privaten und beruflichen Werdegang, Leistungsbeurteilungen und der Dienstausführung des Beklagten. In der Disziplinarklage hat sich der Beklagte zudem umfassend mit dem Vorbringen des Beklagten auseinandergesetzt, das Versenden der Nachrichten zu bereuen. Der Beklagte legt auch weder dar, bezüglich welcher weiteren konkreten Umstände seines Persönlichkeitsbildes er noch Ermittlungen für erforderlich hält, noch, welche weiteren Persönlichkeitsmerkmale er für wichtig hält. Die pauschale Rüge einer nicht umfassenden Ermittlung, ohne dass im Disziplinarverfahren trotz eingeräumter Verfahrensmöglichkeiten mit entsprechendem Vortrag oder dem Stellen von Beweisanträgen auf eine seiner Ansicht nach umfassende Ermittlung hingewirkt worden ist, veranlasst das Gericht nicht zu Zweifeln an einer ausreichenden Sachverhaltsermittlung. Der Kläger hat den Vortrag des Beklagten im Disziplinarverfahren zudem entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht pauschal als Schutzbehauptungen zurückgewiesen, ohne notwendige weitere Ermittlungen einzuleiten. Der Kläger hat sich indes mit dem tatsächlichen Vorbringen des Beklagten sowohl hinsichtlich der einzelnen Chatverläufe als auch der Schießbucheintragungen in der Disziplinarklage umfassend auseinandergesetzt und ist an dessen Ende zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich in vielen Fällen um Schutzbehauptungen handele. Dies ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, Beweisanträge wurden seitens des Beklagten nicht gestellt. Ferner gibt auch die behauptete Verfahrensverzögerung keinen Anhaltspunkt für eine Befangenheit des Ermittlungsführers. Das mit Verfügung vom 17. Juli 2019 eingeleitete behördliche Disziplinarverfahren wurde binnen der vom Gericht mit Beschluss vom 29. Juli 2020 gesetzten Frist bis zum 1. September 2020 durch Erhebung der Disziplinarklage am 31. August 2020, mithin 13 Monate nach Einleitung, ordnungsgemäß abgeschlossen. Eine schuldhafte Verfahrensverzögerung, die Anlass gäbe, an der Unbefangenheit zu zweifeln, ist angesichts des erheblichen Sachverhaltsumfangs darin nicht zu erkennen.
B.
RN 52
Der Beklagte hat sich zur Überzeugung des Gerichts wegen der ihm in der Disziplinarklage vorgeworfenen Handlungen und Verhaltensweisen eines einheitlichen schweren Dienstvergehens schuldig gemacht, welches zur Entfernung aus dem Dienst führen muss.

1.
RN 53
Der Beklagte hat zunächst gegen seine Verfassungstreuepflicht verstoßen, indem er durch mehrere rassistische, ausländerfeindliche und menschenverachtende (Bild-) Nachrichten in verschiedenen Chats zu erkennen gegeben hat, dass er sich nicht mehr zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennt.
RN 54
Gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
RN  55
Die in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG), § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verankerte, jeder Beamtin und jedem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar (vgl. hierzu auch Masuch, Die Verfassungstreue als beamtenrechtliche Kernpflicht, ZBR 2020, 289; Lorse, Die politische Treuepflicht des Beamten im Spiegel aktueller rechtlicher und rechtspolitischer Entwicklungen, ZBR 2021, 1). § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten müssen. Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet. Beamte realisieren die Machtstellung des Staates (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 – 2 BvF 2/58 –, juris), sie haben als "Repräsentanten der Rechtsstaatsidee" dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 2 C 51.13 –, juris). Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 –, juris). Dementsprechend darf nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.
RN 56
Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung umfasst eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition zu rechnen (vgl. BVerfG, Urteile vom 23.Oktober 1952 – 1 BvB 1/51 – und vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 –; BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 WB 43.04 –; VGH Kassel, Beschluss vom 22. Oktober 2018 – 1 B 1594/18 –, VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 23. März 2021 – 3 K 2383/20 –, jeweils juris).
RN  57
Die Verpflichtung zur Verfassungstreue verlangt, neben dem Bekennen und aktiven Eintreten der Beamtinnen und Beamten für die freiheitlich-demokratischen Grundordnung, auch, dass sie sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. zu diesen für Soldatinnen und Soldaten, Richterinnen und Richter und Beamtinnen und Beamte geltenden Grundsätzen etwa BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – und vom 6. Mai 2008 – 2 BvR 337/08 –; BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 – 2 WD 16.16 –; OVG Magdeburg, Beschluss vom 28. November 2019 – 1 M 119/19 –, jeweils juris und m.w.N.). Dem entsprechen auch der Diensteid, den der Beklagte am 8. September 1998 geleistet hat, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Gesetze zu wahren und seine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen (vgl. § 61 Abs. 1 LBG M-V) und die sich aus § 34 Satz 3 BeamtStG ergebende Pflicht, dass sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert. Bekenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhaltung der demokratischen Grundordnung ermöglicht (VGH München, Urteil vom 16. Januar 2019 – 16a D 15.2672 –, jeweils juris und m.w.N.).
RN 58
Die danach an einen (Polizei-)Beamten und eine (Polizei-)Beamtin zu stellende Erwartung, die nicht nur das theoretische Idealbild eines Beamten oder einer Beamtin beschreibt, sondern eine beamtenrechtliche Kernpflicht betrifft, hat der Beklagte nicht erfüllt. Er hat durch sein Verhalten vielmehr gezeigt, dass er nicht zu jeder Zeit und ohne jeden Vorbehalt für die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Grundwerte eines friedlichen Zusammenlebens einstehen wird.
RN 59
Die politische Treuepflicht verlangt von einem Beamten oder einer Beamtin zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder der im Bundestag vertretenen Parteien zu identifizieren und sie zu unterstützen; sie verpflichtet sie jedoch, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen, durch ihr gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten. Der Beamte oder die Beamtin muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, juris). Dementsprechend ist mit der Verfassungstreuepflicht ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen. Denn das Grundgesetz bildet gleichsam den "Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes" ((vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17/19 –, juris). Gleiches gilt auch für das Vertreten von sonstigem rassistischen, fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Gedankengut (vgl. VG München, Beschluss vom 26. Juli 2021 – M 19B DA 21.3474 –, juris).
RN 60
Disziplinarmaßnahmen setzen allerdings ein konkretes Dienstvergehen voraus. Dieses besteht nicht bereits in der "mangelnden Gewähr" dafür, dass der Beamte jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern erst in der nachgewiesenen Verletzung jener Amtspflicht (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, juris unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – und vom 6. Mai 2008 – 2 BvR 337/08 –).
RN  61
Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – und vom 6. Mai 2008 – 2 BvR 337/08 –, jeweils juris).
RN 62
Eine derartige Verletzung der Verfassungstreuepflicht liegt aber nicht erst dann vor, wenn der Beamte ein Verhalten zeigt, das auf die wirksame Verbreitung eines verfassungsfeindlichen Standpunktes oder auf die Teilnahme am politischen Meinungskampf gerichtet ist. Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte "Mehr" als das bloße Haben und Mitteilen ist nicht erst bei einem offensiven Werben erreicht. Zwischen dem "bloßen" Haben und Mitteilen einer Überzeugung und dem planmäßigen werbenden Agieren oder gar Agitieren liegen differenzierungsfähige und erhebliche Abstufungen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, juris).
RN  63
Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht setzt kein öffentlich sichtbares Verhalten voraus. Dies gilt auch für die Kundgabe politischer Überzeugungen. Auch wenn sich ein Anhänger verfassungsfeindlicher Ziele nur im Kreis Gleichgesinnter offenbart und betätigt, zieht er Folgerungen aus seiner Überzeugung für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Selbst wenn sich ein Beamter in einer verfassungsfeindlichen Organisation rein intern engagiert und seine Überzeugung nur dort offenlegt, liegt hierin eine gelebte Folgerung und Betätigung seiner politischen Auffassung. Die Überzeugung führt in diesen Fällen zu einer gelebten Identifizierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Juli 1981 – 2 BvR 321/81 –, juris). Die Öffentlichkeit einer verfassungsfeindlichen Betätigung ist damit nicht Voraussetzung für einen Verstoß gegen die Treuepflicht des Beamten (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, juris).
RN  64
Bezogen auf den Austausch von Chat-Nachrichten mit verfassungsfeindlichen Inhalten liegt eine Verletzung der beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht nur im aktiven Versenden von Nachrichten mit den vorgeworfenen Inhalten, sondern auch in deren Empfang, ohne den Inhalten entgegen zu treten oder sich zumindest davon zu distanzieren. Dies könnte durch eine Mitteilung an einen Vorgesetzen geschehen oder aber durch verbales Einhaltgebieten an den Chat-Partner. Ohne ein solches erweckt der Beamte den Eindruck, das Versenden derartiger Nachrichten sei in Ordnung (vgl. VG München, Beschluss vom 26. Juli 2021 – M 19B DA 21.3474 –, juris).
RN  65
Vorliegend hat der Beklagte zwischen 2012 und 2017 insgesamt 19 Bild- und Textnachrichten mit G. ausgetauscht, die zwar nicht jedes für sich genommen, aber in der Zusammenschau ein mit der politischen Treuepflicht nicht vereinbares ausländerfeindliches und menschenverachtendes Weltbild des Beklagten offenbaren. Der Großteil der versandten Nachrichten zielt darauf ab, ausländische Menschen verächtlich zu machen. Insbesondere wird zum Ausdruck gebracht, dass keine Akzeptanz und Toleranz Asylbewerbern und dem rechtsstaatlich ausgestalteten Asylverfahren gegenüber besteht. Stattdessen wird deutlich gemacht, dass diese Personen ungerechtfertigterweise Nutznießer des deutschen Sozialsystems und nicht lebenswert seien. Insbesondere das Bild mit dem "Nafrigationssystem", das Bild mit dem Maschinengewehr zur schnellen Erledigung der Asylverfahren sowie der Text über die Hartz IV-Beantragung eines Hundes sind Zeugnis tiefer Ablehnung, wenn nicht gar Abscheu gegenüber Asylbewerbern. Die Ausgestaltung des deutschen Asylsystems ist indes Ausdruck einer das im Grundgesetz verankerten Recht auf Leben und Freiheit wahrenden rechtsstaatlichen Herrschaftsordnung, die keinerlei Formen einer Gewalt- und Willkürherrschaft duldet. Letztere hält der Beklagte aber offenkundig für geboten, wenn er propagiert, dass ein Maschinengewehr als das schnellste deutsche Asylverfahren bis zu 1400 Asylanträge in der Minute ablehnt. Entgegen der Ansicht des Beklagten überschreiten derartige Aussagen auch nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks, sondern auch der Satire und zwingen im Kontext der Gesamtereignisse zu dem Eindruck, dass dies stattdessen Ausdruck einer tief verwurzelten ausländerfeindlichen und menschenverachtenden Gesinnung des Beklagten ist. Damit einher geht das Verhöhnen insbesondere des muslimischen Glaubens- und Kulturkreises. Neben Anspielungen auf eine angebliche Sodomie von Muslimen werden weitere islamfeindliche Stereotypen wie Gewalt gegen Frauen und der Salafismus als Alleinstellungsmerkmal des Islam bedient. Die weitere Verwendung von antisemitischem Bildmaterial sowie der lockere Umgang mit der Verwendung des Namens eines hochrangigen SS-Funktionärs in einer Alltagssituation wie der Reservierung eines Tisches in einem Restaurant und die stolze Zurschaustellung einer originalen Signatur eines Autors und im nationalsozialistischen Deutschland der Vierzigerjahre emporgekommenen Mitglieds der Waffen-SS, der in seinen Werken die kritische Auseinandersetzung mit den von der Waffen-SS verübten Kriegsverbrechen vermissen lässt, zeigt dabei deutlich, dass der Beklagte seine ausländerfeindliche und menschenverachtende Gesinnung auch auf nationalsozialistisches Gedankengut stützt. Derartige Sympathiebekundungen und Bagatellisierungen nationalsozialistischer Staatsvorstellungen stehen aber in einem diametralen Widerspruch zu der auf Freiheits- und Gleichheitsrechten beruhenden Staatsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Soweit sich der Beklagte dahingehend eingelassen hat, dass er sich nur aus Gründen des militärhistorischen Interesses mit derartiger Literatur beschäftigt und für die Tischreservierung die österreichische Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner statt des Leiters des Reichssicherheitshauptamtes Ernst Kaltenbrunner als Vorbild gehabt habe, so ist dies sowohl im Kontext der entsprechenden textlichen Reaktionen des G. als auch im Hinblick auf die gesamte Kommunikation ebenso unglaubhaft wie abwegig und zur Überzeugung der Kammer als reine Schutzbehauptung zu werten. Die Nachricht des Beklagten, dass er Tische immer auf den Namen Kaltenbrunner buche, zeigt zudem deutlich, wie sehr seine derartige Gesinnung bereits Einzug in den privaten und alltäglichen Bereich gefunden hat. Die Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass diesbezügliche Inhalte nur im dienstlichen Bereich mit den Kollegen eine Rolle gespielt hätten, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Hinzu kommt, dass der Beklagte in erster Linie mit G., einem SEK-Kollegen und dem Kopf der rechten Preppergruppen "Nordkreuz" und "Nord.com", die sich auf den als „Tag X“ bezeichneten Tag, an dem die aktuelle Regierungsmacht insbesondere aufgrund der Flüchtlingspolitik zusammenbreche, vorbereitet hat, kommuniziert hat. Vor diesem Hintergrund vermag auch die Einlassung des Beklagten, es habe sich bei den Bild- und Textnachrichten lediglich um Persiflagen in Form von humoristischen Fotomontagen gehandelt, nicht zu überzeugen. Festzustellen ist auch, dass die überwiegende Mehrzahl der ausgetauschten Bild- und Textnachrichten vom Beklagten ausging und G. lediglich darauf reagiert oder vielfach auch gar keine Rückmeldung gegeben hat. Dies führt zu dem Eindruck, dass sich der Beklagte G. regelrecht angebiedert hat, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Er war zudem nicht nur Konsument, sondern hat die Nachrichten und Bilder aktiv verbreitet. Dadurch wird die Tiefe der Verankerung seiner verfassungsfeindlichen Gesinnung unterstrichen. Auf das einzige Bild, das der Beklagte von G. erhalten hat, reagierte er mit den Worten "Mindestens genauso geil :)", was keine vom Beklagten im Disziplinarverfahren behauptete Distanzierung von derartigem Gedankengut, sondern vielmehr eine Bestätigung und Freude über derartige Nachrichten darstellt. Ausdruck dessen, dass es sich entgegen der Einlassung des Beklagten nicht nur um einige wenige geschmacklose Nachrichten gehandelt hat, die im jeweiligen politischen Zeitgeschehen zu betrachten sind, sondern die Kommunikation seine verfestigte ablehnende Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland im Sinne seiner politischen Überzeugung offenbart, ist auch der erhebliche zeitliche Umfang der Kommunikation. So kam es bereits im Jahr 2012 zum Austausch antisemitischer Nachrichten und die letzten Bildnachrichten stammen aus dem Jahr 2017. Es handelt sich demnach nicht um kurzzeitige oder unmittelbar an singuläre politische Ereignisse anknüpfende Nachrichten, die einer Ausnahmesituation geschuldet waren.
RN 66
In der Gesamtschau der Kommunikation zeichnet sich beim Beklagten eine verfestigte menschenverachtende, ausländerfeindliche und mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus sympathisierende Gesinnung, die mit der politischen Treuepflicht eines Beamten und demnach mit einem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar ist.
2.
RN 67
Der Beklagte hat zur Überzeugung der Kammer weiterhin ein außerdienstliches Fehlverhalten begangen, indem er zum Zwecke des Bedürfnisnachweises für eine private Waffenanschaffung gegenüber der Waffenbehörde zwischen Januar und September 2016 mindestens 13 Falscheintragungen durch G. in sein Schießbuch hat vornehmen lassen und dadurch gegen seine in § 34 Satz 3 BeamtStG festgeschriebene Wohlverhaltenspflicht verstoßen hat. Danach muss das Verhalten der Beamtinnen und Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.
RN 68
Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zwischen Mitte Januar 2016 (frühestens 7. Januar 2016) und Mitte September 2016 (spätestens 21. September 2016) sein Schießbuch bei G. zur Verwahrung hatte und dieser in der Zeit 13 Eintragungen einer Schießübung des Beklagten auf dem Schießstand des „Schützenverein Plate 1990 e.V.“ vorgenommen hat, ohne dass der Beklagte diese tatsächlich wahrgenommen hat (15. Januar 2016, 29. Januar 2016, 26. Februar 2016, 29. Februar 2016, 4. März 2016, 7. März 2016, 19. März 2016, 22. April 2016, 29. April 2016, 13. Mai 2016, 8. Juli 2016, 19. August 2016 und 16. September 2016). Dies ergibt sich unmittelbar aus den ausgewerteten Chatverläufen zwischen dem Beklagten und G.. Der Beklagte hat G. am 7. Januar 2016 per WhatsApp um ein Telefonat gebeten, weil er sich die Pistole „Glock 17“ bei T. kaufen wolle und diesbezüglich ein kleines Problem habe. Im Folgenden fragte der Beklagte per WhatsApp am 8. Februar 2016 bei G. nach, ob er mit dem „Konsumbuch“ – mit dem bei lebensnaher Betrachtung nur das Schießbuch gemeint sein konnte – schon begonnen habe. Dieser antwortete darauf, dass er das Buch bereits mit mindestens zwei Einträgen begonnen habe und in der Woche noch zwei dazukommen würden. Am 30. Juni 2016 bat der Beklagte G. erstmals um Rückgabe des Schießbuches, damit er dienstliche Schießtermine eintragen könne, und am 12. September 2016 nochmals um Rückgabe, da er sonst nur noch eine „Wasserpistole“ bekommen könne. Am 21. September 2016 dankte er G. schließlich für das Buch, das er nun offenbar zurückbekommen hatte und G. teilte ihm am 28. September 2016 auf Nachfrage mit, dass der Beklagte vom Tag der Übergabe – offenkundig des Schießbuchs – an zu bezahlen habe. G. war zu dieser Zeit unstreitig autorisiert, Schießbucheintragungen für den „Schützenverein Plate 1990 e.V.“ vorzunehmen. Der Beklagte hat ausweislich des Schießbuches, das insgesamt Eintragungen vom 27. Juni 2013 bis zum 12. Juni 2019 aufweist, zudem weder vor Januar 2016 noch nach September 2016 weitere Eintragungen vom „Schützenverein Plate 1990 e.V.“ erhalten. Sämtliche andere Eintragungen stammen sowohl davor als auch danach von der „Privilegierten Schützengesellschaft zu Güstrow e.V.“ und dem PSG Schießstand „Großer Bockhorst“. Bei lebensnaher Betrachtung dieses Sachverhaltes gelangt die Kammer zur der Überzeugung, dass G. auf die Bitte des Beklagten hin, sein Problem wegen des geplanten Waffenkaufs zu lösen, das Schießbuch des Beklagten an sich nahm und Eintragungen für tatsächlich nicht stattgefundene Schießtermine vorgenommen hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte diese Schießtermine tatsächlich wahrgenommen hat. Dagegen sprechen neben dem Umstand, dass der Beklagte bei tatsächlicher Wahrnehmung aller Schießtermine sein Schießbuch nicht hätte an G. übergeben müssen, die mehrfachen Nachfragen des Beklagten an G., wann er ihm das Geld für die Schießbucheintragungen geben könne. Hätte der Beklagte die Termine selbst wahrgenommen, so hätte er die gegebenenfalls angefallene Gebühr direkt an den Schießplatzbetreiber zahlen können. Das Verhalten des Beklagten erklärt sich vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 3 Nr. 2 WaffG, wonach für die Glaubhaftmachung eines Bedürfnisses zum Erwerb von Schusswaffen nachzuweisen ist, dass der Antragsteller den Schießsport in den vergangenen zwölf Monaten einmal in jedem Monat oder insgesamt 18 Mal in einem Verein mit erlaubnispflichtigen Schusswaffen ausgeübt hat. Die Übergabe des Schießbuchs an G. zum Zwecke der Falscheintragungen diente offenkundig dazu, möglichst schnell eben jenen Nachweis gegenüber der Waffenbehörde zu erbringen, um sich die gewünschte „Glock 17“ anschaffen zu können.
RN 69
Dem Beklagten ist es auch nicht gelungen, einen davon abweichenden Sachverhalt glaubhaft zu machen. Die im Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 geäußerte und in der mündlichen Verhandlung wiederholte schlichte Behauptung, es habe sich um legale Nachtragungen privater Schießtermine gehandelt, vermag vor dem Hintergrund des oben Genannten nicht zu überzeugen.
RN 70
Dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei den sechs Euro pro Eintragung, die der Beklagte an G. gezahlt hat, um die normale Schießplatzgebühr für Gastschützen, eine zusätzliche Gefälligkeit für den Schießplatzbetreiber oder eine direkte Zahlung an G. für sein Tätigwerden gehandelt hat. Für die Bewertung des Sachverhalts als Dienstpflichtverletzung ist dies nicht relevant.
RN 71
Ferner kann dahingestellt bleiben, ob es sich auch bei dem Eintrag vom 2. Juni 2016 bezüglich eines Schießtermins auf dem Schießplatz „Großer Bockhorst“ um eine Falscheintragung gehandelt hat. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Arbeitszeitnachweises für den Juni 2016 hatte der Beklagte dort zwar dienstfrei, grundsätzlich haben dort aber nach Angaben des Klägers dienstliche Schießtermine des LKA M-V stattgefunden und es ist ferner nicht ersichtlich, wer diese Eintragung vorgenommen hat. Neben den bereits festgestellten 13 Falscheintragungen fällt diese Eintragung aber nicht erheblich ins Gewicht, sodass weitere diesbezügliche Ermittlungen nicht notwendig sind.
RN 72
Soweit der Kläger dem Beklagten weiter vorgeworfen hat, dass durch die Nachricht des R. an ihn am 5. September 2013 zum Ausdruck komme, dass der Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt regelmäßig den „Trick“ angewendet habe, „fiktive Einschreibungen“ im Terminkalender des Schießplatzes zu tätigen und diese dann aber nicht wahrzunehmen, kann dies nicht zweifelsfrei angenommen werden. Zwar spricht im Gesamtkontext der Aktivitäten der Falscheintragungen und dem Wortlaut der Nachricht nach viel für die Auslegung des Klägers. Dies stellt sich aber für das Gericht als nicht ausreichend für eine endgültige Überzeugungsgewissheit dar.
RN 73
Das festgestellte Dienstvergehen ist als außerdienstlich zu werten, bei dem die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt sind.
RN 74
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das wesentliche Unterscheidungselement zwischen inner- und außerdienstlicher Pflichtverletzung funktionaler Natur. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit. Ist eine solche Einordnung nicht möglich – insbesondere, wenn sich das Handeln als das einer Privatperson darstellt –, ist es als außerdienstliches (Fehl-)Verhalten zu qualifizieren (BVerwG, Beschluss vom 19. August 2019 - 2 B 72.18 -, juris).
RN 75
Die Falscheintragungen im Schießbuch sind vorliegend nicht während der Dienstausübung und auch sonst ohne direkten Bezug zur Dienstverrichtung des Beklagten erfolgt. Zwar hat der Beklagte im Schriftsatz vom 20. Mai 2021 noch erklärt, es habe sich bei den streitgegenständlichen Eintragungen um Nachtragungen von dienstlichen Schießübungen gehandelt, bei denen er sein Schießbuch nicht dabeigehabt habe. Diesen Vortrag hat er allerdings im weiteren Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten, sondern erklärt, es habe sich um private Schießübungen gehandelt. Dem entsprechen auch die vom Kläger durchgeführten Ermittlungen, wonach auf dem Schießplatz des „Schützenverein Plate 1990 e.V.“ keinerlei dienstliche Schießtermine des LKA M-V stattgefunden haben.
RN 76
Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Vorliegend hat der Beklagte als Polizeibeamter des SEK des LKA-MV und damit auch Berufswaffenträger eine besondere Vertrauensstellung inne, die einen einwandfreien Umgang mit Schusswaffen und dem zugrundeliegenden Verfahren voraussetzt. Polizeibeamte, die zur Ermöglichung des privaten Erwerbs einer Waffe Schießbucheintragungen fälschen und dementsprechend an den für das waffenrechtliche Bedürfnis notwendigen Schießübungen tatsächlich gar nicht teilgenommen haben und sich damit gegenüber der Waffenbehörde den Waffenbesitz erschleichen möchten, beeinträchtigen das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise.
C.
RN 77
Der Beklagte handelte auch schuldhaft. Als Verschuldensformen kommen Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht, wobei einfache Fahrlässigkeit genügt. Vorsatz liegt vor, wenn die Beamtin bzw. der Beamte die Pflichtverletzung bewusst und gewollt begeht. Bedingter Vorsatz genügt (vgl. Thomsen in: Brinktrine/Schollendorf, BBG, Stand: 1.2.2109, § 77 Rn. 4). Der Beklagte handelte hier vorsätzlich.
D.
RN 78
Die festgestellten Dienstvergehen sind nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens, der sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würdigen. Das festgestellte einheitliche Dienstvergehen führt bei dem Beklagten zur Entfernung aus dem Dienst gemäß § 12 Abs. 1 LDG M-V.
RN 79
Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht gemäß § 15 Abs. 1 LDG M-V nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
RN 80
Nach § 15 Abs. 2 LDG M-V ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
RN 81
Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 – 2 C 59.07 –, juris).
RN  82
Der Beklagte hat vorliegend aufgrund des Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Bei schweren Dienstvergehen stellt sich vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 – 2 C 9/06 –, juris). Die schuldhafte Missachtung der politischen Treuepflicht ist disziplinarrechtlich grundsätzlich von erheblicher Bedeutung, weil die Einhaltung dieser Pflicht unverzichtbare beamtenrechtliche Kernpflicht ist. Das über einen Zeitraum von sechs Jahren dokumentierte Verhalten des Beklagten macht deutlich, dass er gegen die ihm obliegende Amtspflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten, in eklatanter Weise verstoßen hat. Dieses Verhalten ist geeignet, einen schwerwiegenden Ansehens- und Vertrauensverlust herbeizuführen. Durch die schwerwiegende Verletzung seiner politischen Treuepflicht hat der Beklagte das Vertrauen sowohl der Allgemeinheit wie auch des Dienstherrn in eine zukünftige amtsentsprechende Dienstführung zerstört. Die verfassungsrechtliche Konstituierung einer wehrhaften Demokratie schließt es aus, dass der Staat, dessen verfassungsmäßiges Funktionieren auch von der freien inneren Bindung seiner Amtsträger an die geltende Verfassung abhängt, zur Ausübung staatlicher Gewalt Amtsträger im Dienst belässt, die über ein gefestigtes menschenverachtendes und ausländerfeindliches Weltbild verfügen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 – und BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, jeweils juris). Hinzu kommt der Wohlverhaltenspflichtverstoß des Beklagten durch die Falscheintragungen in sein Schießbuch, bei dem zwar mildernd zu berücksichtigen ist, dass er den beabsichtigten anschließenden Waffenerwerb soweit ersichtlich doch nicht umgesetzt hat, der jedoch dennoch in die Gesamtbetrachtung einzustellen ist. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist zudem zu berücksichtigen, dass der Beklagte als Polizeibeamter in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung genießt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2017 – 2 B 21.16 – und Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 50.13 –, jeweils juris). Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist angesichts der Schwere der Pflichtenverstöße deshalb nur die konsequente und notwendige Ahndungsmaßnahme.
RN 83
Die Kammer sieht vorliegend keine Besonderheiten und Entlastungsgründe des Einzelfalls, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingten Lebensphase. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall die Schwere der Verfehlung mildern. Ebenso verhält es sich bei einem besonderen Nachtatverhalten und einer fehlenden Eigennützigkeit (zum nicht abgeschlossenen Kanon der Milderungsgründe vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 – 2 A 11.10 –, juris). Es gibt vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beklagte bei Begehung des Dienstvergehens in einer besonderen menschlichen Konfliktsituation befunden hat.
RN 84
Mildernd zu berücksichtigen ist ferner nicht, dass es sich bei den Chats um eine vertrauliche bilaterale Kommunikation gehandelt hat und die Nachrichten nicht an dritte Unbeteiligte versandt wurden und deshalb möglicherweise ein Achtungs- und Vertrauensverlust in der Bevölkerung nicht zu erwarten ist. Die Beteiligung des Beklagten an den Chats mit den entsprechenden Äußerungen, wird sich – soweit dies nicht ohnehin schon bekannt ist – im Umfeld des Klägers herumsprechen. Wenngleich der Name des Beklagten in der umfangreichen Presseberichterstattung über rechte Chatgruppen in der Landespolizei und über die Durchsuchungen bei und im Umfeld von G. nicht in Zusammenhang mit den Vorgängen genannt worden ist, ist dennoch davon auszugehen, dass in den einschlägigen Kreisen außerhalb der weiteren Öffentlichkeit, insbesondere bei den Beschäftigten des Klägers, bekannt ist, dass der Beklagte an den streitbefangenen Chats beteiligt war. Entgegenstehende Annahmen widersprächen jeder Lebenserfahrung (vgl. dazu auch LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Juli 2021 – 21 Sa 1291/20 –, juris).
RN 85
Soweit der Beklagte weiter vorgetragen hat, dass er den Austausch der Nachrichten mit unstreitig fragwürdigen bzw. anstößigen Inhalten bereue und er die Kommunikation mit G. aus diesem Grund auch im Frühjahr 2017 von sich aus eingestellt habe, vermag dies nicht zu überzeugen. Derartige Ausführungen hat der Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 12. August 2020 in Reaktion auf die Bekanntgabe des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen getätigt. Zuvor hat er insbesondere in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schwerin und dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bezüglich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte – zu einem Zeitpunkt, an dem er den genauen Umfang der ausgewerteten Chatverläufe noch nicht kannte – noch unter anderem ausgeführt, dass der Vorwurf unbegreiflich sei, er stigmatisiert werde und es sich bei der Handvoll alter Nachrichten um kein beanstandungswürdiges Gedankengut handele. Wenig überzeugend einsichtig zeigt sich der Beklagte ferner auch dadurch, dass er im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens nochmals von seiner Reue spricht, gleichzeitig aber betont, dass er im Gegensatz zu anderen beteiligten Kollegen in Bezug auf die Höhe der gewählten Disziplinarmaßnahme ungerecht behandelt worden sei und sein Verfahren ein Politikum und eine öffentliche Skandalisierung darstelle. Als wenig überzeugend stellt sich zudem die Einlassung des Beklagten dar, er habe die Kommunikation mit G. im Frühjahr 2017 aus freien Stücken eingestellt, weil er gemerkt habe, dass die Nachrichten ihn in ein „schiefes Licht“ rücken könnten. Zunächst lässt sich dem Umstand, dass die letzte beanstandungswürdige Nachricht am 13. März 2017 versandt wurde in Anbetracht des Umstandes, dass auch zwischen den zuvor ausgetauschten streitgegenständlichen Nachrichten zum Teil mehrere Monate liegen, kein Aussagegehalt auf ein endgültiges Einstellen der Kommunikation entnehmen. Hinzu kommt, dass bereits im August 2017 die ersten Hausdurchsuchungen, u.a. auch bei Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern im Zusammenhang mit dem Preppernetzwerk „Nordkreuz“ stattgefunden haben (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Nordkreuz und https://www.vice.com/de/article/neekb7/alles-was-wir-uber-die-mutmassliche-rechte-terrorzelle-von-mecklenburg-wissen; beides zuletzt abgerufen am 21. Dezember 2021). Spätestens ab diesem Zeitpunkt dürfte der Beklagte gewarnt gewesen und die Kommunikation bereits aus Angst vor Entdeckung nicht weiter nicht fortgeführt haben.
RN 86
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, die streitgegenständliche Chatkommunikation sei auch auf Führungsdefizite beim SEK/LKA M-V zurückzuführen oder jedenfalls durch diese begünstigt worden, so kann dies ebenfalls nicht als taugliche Erklärung für sein Verhalten mildernd berücksichtigt werden. Wären die Zustände für den Beklagten tatsächlich so gravierend schlecht gewesen, wäre es an ihm gewesen, aktiv eine Verbesserung der Zustände zu erreichen oder berufliche Konsequenzen in der Form zu ziehen, sich versetzen oder aus dem Beamtenverhältnis entfernen zu lassen. Das Begehen gravierender und zahlreicher Dienstpflichtverletzungen war kein gangbarer Weg, um mit den beschriebenen Zuständen umzugehen. Gleiches gilt für seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung, er habe ein Ventil gesucht, um mit dem Stress – beispielsweise durch häufige Lebensgefahr in Einsätzen – umzugehen. Von einem SEK-Beamten beim LKA kann bereits aufgrund seiner umfangreichen und qualifizierten Ausbildung erwarten werden, dass er einen professionellen Weg findet, sich mit derartigen psychischen Belastungen auseinanderzusetzen.
RN 87
Der geradlinige und von guten dienstlichen Beurteilungen flankierte dienstliche Werdegang des Beklagten sowie seine im Übrigen beanstandungsfreie Dienstausübung vermögen angesichts der Schwere des Gewichts insbesondere des Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht ebenfalls nicht dazu führen, dass von einer Entfernung des Beamten aus dem Dienstverhältnis abgesehen werden kann.
D.
RN 88
Mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis endet das Dienstverhältnis. Der Beklagte verliert den Anspruch auf Dienstbezüge und Versorgung sowie die Befugnis, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem Amt verliehenen Titel zu führen und die Dienstkleidung zu tragen (§ 12 Abs. 1 LDG M-V).
RN 89
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wird mit der Rechtskraft der Entscheidung wirksam. Die Zahlung der Dienstbezüge wird mit dem Ende des Kalendermonats eingestellt, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird (§ 12 Abs. 2 LDG M-V).
Disziplinarrecht / Übersicht Dienstvergehen / Übersicht
A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
B. Beispiele
Alkoholabhängigkeit Amtsarztuntersuchung Anabolika Arbeitszeitbetrug Bestechlichkeit Betrug im Dienst Betrug / Trennungsgeldbetrug Diebstahl im Dienst / Spielsucht Diebstahl an hilfloser Person Diebstahl außerdienstlich Drogendelikt / Beihilfe Drogenerwerb Betäubungsmittel / Soldat Eigentumsdelikt im Dienst fehlerhafte Arbeitsweise Fernbleiben vom Dienst Flucht in die Öffentlichkeit Gesunderhaltungspflicht Impfpflicht / Soldaten / Beamte Internetauftritt Kinderpornografie / Übersicht Körperverletzung im Amt Meineid Nebentätigkeit Nichtbefolgen von Weisung Reaktivierung abgelehnt sexuell Motiviertes Sonderrechtsfahrt/ Unfall Steuerhinterziehung Kein Streikrecht für Beamte Trunkenheitsfahrt Unfallflucht als Dienstvergehen Untreue, § 266 StGB Verfassungstreue Verrat von Dienstgeheimnissen Vorteilsnahme Vorteilsnahme 2 Zugriffsdelikte






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